Minenräumung ist sicherlich keine banale Angelegenheit. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es sich um einen waghalsigen Job handelt. Jeder Arbeitsschritt wird anhand bewährter Routinen sorgfältig geplant, durchgeführt und aufgezeichnet.
Da es kein Null-Risiko-Umfeld gibt, müssen die Gefahren auf ein Minimum reduziert werden. Dieses gilt sowohl für die Sicherheit der Minenräumer als auch für die Begünstigten, denen sicheres Land versprochen wird. Darüber hinaus ist es von entscheidender Bedeutung, die verfügbaren Ressourcen optimal zu nutzen, da Minenräumung extrem teuer ist, die Finanzierungsquellen begrenzt sind und die Spendergelder effizient eingesetzt werden müssen. Videodemonstration :
Ein Minenräumer arbeitet nie allein. Im Irak besteht ein Räumungsteam aus einem Teamleiter, fünf Minenräumern und einem Sanitäter. Zwei Fahrzeuge werden eingesetzt: ein Auto für den Transport der Minenräumer und der Ausrüstung und ein Krankenwagen. Jedem Entminungsteam wird eine “Aufgabe” zugewiesen, d.h. eine Zone, deren Räumungsbedarf von der irakischen Direktion für Minenräumung festgelegt wurde. Der Teamleiter aktualisiert wesentliche Informationen über die betreffende Aufgabe auf einer Informationstafel, die in der “Kontrollstelle”, dem Ort, an dem auch der Krankenwagen und der Sanitäter stationiert sind, aufgestellt ist.
Das Bild unten zeigt die Informationstafel der laufenden Aufgabe im Dorf Mahana. Es gibt an, welches FSD-Team für die Aufgabe zuständig ist (Team 7), die Identifikationsnummer der Aufgabe (036), das Datum des Beginns der Entminung (29. November 2018), das bisher entminte Gebiet in Quadratmetern (306.000m2) und die Anzahl und Art der bisher geräumten improvisierten Sprengkörper (IEDs). “Pot” bezieht sich auf IEDs, bei denen sich die Sprengladung in einem Abschnitt einer Stahlölleitung befindet (59 Einheiten), “plastic pot” auf solche, bei denen sich die Sprengladung in einem Plastikbehälter befindet (25 Einheiten) und “drum”, wenn ein Kanister verwendet wurde (76 Einheiten).
Es handelt sich dabei um keine kleinen Geräte. Jedes enthält zwischen fünf und 20 Kilogramm Sprengstoff, was ausreicht, um eine Person zu töten oder sogar ein Fahrzeug zu zerstören. Die meisten Sprengsätze wurden in Mosul hergestellt. Einige wurden in einer Kunststofffabrik angefertigt, die zuvor Artikel für den häuslichen Gebrauch herstellte und vom ISIS für die Produktion dieser improvisierten Sprengsätze umgebaut wurde.
Unter der Zahl der neutralisierten IEDs ist das Datum angegeben, an dem die letzte Übung zur Evakuierung von Verletzten stattfand (10. März 2019). Diese Art von Simulation muss mindestens einmal pro Monat durchgeführt werden, um zu gewährleisten, dass die Teams immer bereit sind, im Falle eines Unfalls effizient und zufriedenstellend einzugreifen. Unter der Zahl, die die Gesamtfläche der kontaminierten Zone (447 900 m2) angibt, hat der Teamleiter die Entfernung (90 km) und die Fahrzeit (95 Minuten) bis zum nächsten medizinischen Zentrum notiert. Der Massstab der Aufgabe ist auf der Skizzenkarte als Polygon dargestellt. Die Punkte sind die IEDs, und die blaue Zone ist der Bereich, der geräumt wurde.
In jedem Dorf beginnt das Entminungsteam mit der Räumung des Gebiets, in dem seine Arbeit die grössten Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung haben wird. Dieses muss nicht unbedingt das am stärksten kontaminierte Gebiet sein, sondern kann eine Region umfassen, die sich in der Nähe einer Schule, auf einem Feld, entlang des Hauptweges zum Dorf usw. befindet.
Die meisten Mitglieder des Teams sind für die Suche nach Sprengkörpern zuständig. Wenn ihr Detektor Metall findet, gibt er einen Warnton ab. Der Minenräumer versucht dann, genau zu bestimmen, wo sich der Metallgegenstand befindet, und ruft den Teamleiter. Dieser wird das Objekt genauer lokalisieren und, wenn möglich, die verschiedenen Elemente der Sprengkörper identifizieren, bevor er die Position des Sprengkörpers mit roter Farbe kennzeichnet. Der Minenräumer markiert dann mit Holzstäben und Markierungsband die Zone um die IEDs herum.
Nachdem der Fundort markiert wurde kommt ein Räumungsexperte, um den Sprengsatz auszugraben und ihn genauer zu untersuchen. Wenn möglich, wird der Sprengsatz entschärft. Durch das Befestigen eines Hakens und eines Seils an der Vorrichtung, kann sie aus einer sicheren Entfernung von etwa 100 Metern bewegt werden. Sollte die Vorrichtung einen zweiten, versteckten Schalter enthalten, ist man so geschützt. Die Sprengladung und der Zünder werden im Anschluss an einen sicheren Ort transportiert, wo sie von irakischen Sicherheitskräften zerstört werden. Grosse Mengen an IEDs werden regelmässig an einem geeigneten Ort gesammelt und dann durch eine kontrollierte Explosion zerstört. Kann ein IED nicht sicher abtransportiert werden, muss es an Ort und Stelle zerstört werden.
Die Beseitigung von IEDs in Gebäuden gestaltet sich noch einmal schwieriger. In solchen Situationen ist es sehr schwierig, Metalldetektoren einzusetzen. Alltagsgegenstände und auch die Gebäude selbst sind oft voller Metallteile, welche einen Metalldetektor ausschlagen lassen. Die Klärungsteams arbeiten also vorrangig mit ihrem Auge. Sie schauen durch die Fenster, um sicherzustellen, dass sich hinter einer Tür kein Sprengstoff verbirgt. Im Zweifelsfall ist es manchmal besser, durch das Fenster ein Gebäude zu betreten. Die Räume werden dann systematisch auf Anzeichen für mögliche Sprengfallen untersucht. In einigen Fällen wird das bereits zuvor erwähnte “Haken- und Leinen-Set” verwendet: Haken werden an Türen, Schubladen oder anderen verdächtigen Gegenständen befestigt. Man verlässt das Haus und zieht aus angemessener, um den jeweiligen Gegenstand zu bewegen.
Wenn ein Gebäude ganz oder teilweise zerstört wurde, ist es schwierig, in den Trümmern nach Sprengstoff zu suchen. Deshalb hat die FSD Ende 2018 zwei Baumaschinen angeschafft, die für die Beseitigung von Schutt eingesetzt werden. Diese Maschinen mussten so umgebaut werden, dass sie in verminten Gebieten eingesetzt werden können; die Kabinen wurden verstärkt, um die Sicherheit der Fahrer zu gewährleisten. Diese Maschinen können den Minenräumern auch dabei helfen, IEDs aus Feldern zu graben. Das ist vor allem im Sommer hilfreich, wenn der Boden extrem hart und schwer zu durchgraben ist.
Ein Sanitäter ist während der Entminungsarbeiten ständig in der Nähe. Diese Fachkraft wird aus dem Gesundheitssektor rekrutiert und dann speziell für die Arbeit im Kontext der Minenräumung ausgebildet.
Glücklicherweise gibt es nur sehr wenige Unfälle, und die Pflegekräfte verbringen die meiste Zeit mit der Versorgung kleinerer Wunden und mit Präventivmassnahmen. Sie sorgen dafür, dass sich die Minenräumer wohl fühlen und überprüfen beispielsweise, ob sie bei grosser Hitze ausreichend hydriert sind.
Während der Woche schlafen die Minenräumer in einem angemieteten Haus in der Nähe ihres Einsatzortes. Am Wochenende kehren sie in der Regel nach Hause zurück.