Humanitäre Minenräumung galt lange Zeit als ein eher männliches Tätigkeitsfeld. Jedoch hat sich dieses Bild mittlerweile geändert und viele Organisationen haben gemischte oder rein weibliche Teams. Die FSD bildete ihre ersten Minenräumerinnen vor fast 15 Jahren in Sri Lanka aus und hat kürzlich ein Minenräumungsteam von sieben Frauen im Irak aufgebaut. Eine interne Umfrage unter Frauen, die wir im letzten Monat durchgeführt haben, zeigt die Auswirkungen dieser neuen Karriereoption auf ihr Familienleben und ihren Platz in der Gesellschaft.
„Seitdem ich diesen Job mache haben sich meine Beziehungen zu meiner Familie und meinen Freunden verändert. Ich fühle mich unabhängiger“, erklärt Noor, Leiterin des weiblichen Minenräumungsteams der FSD im Irak. Wie die meisten ihrer Kolleginnen wusste Noor nichts über Minenräumung, bis sie 2019 von der FSD rekrutiert wurde. Sie ist ausgebildete Juristin. „Ich musste einen Job finden. Ich habe im Aufklärungsteam angefangen, welches die Bevölkerung auf die Gefahren von Sprengstoffen aufmerksam macht. Die Arbeit hat mir sehr viel Spass gemacht. Dann entschied ich mich für die Ausbildung zur Minenräumerin.”
Im Irak sind Frauen immer noch schlecht in den Arbeitsmarkt integriert. Nur 13 % der Frauen sind erwerbstätig; wohingegen drei Viertel der Männer einem Job nachgehen. In den Gebieten, die zwischen 2014 und 2017 von den Truppen des Islamischen Staates besetzt wurden, ist die Situation noch schwieriger. Das Ausmass der Zerstörung und Kontamination durch Sprengkörper verlangsamt die wirtschaftliche Erholung und behindert die Versuche der Menschen, ihr normales Leben wieder aufzunehmen.
Die FSD ist im Regierungsbezirk Ninive tätig, einem der am stärksten von den Kämpfen betroffenen Gebiete. Die zukünftigen MinenräumerInnen werden aus der lokalen Bevölkerung rekrutiert und durchlaufen einen sechswöchigen Ausbildungskurs, an dessen Ende sie das Minenräumungsdiplom der Stufe 1 erhalten. Ende 2019 wurde ein Team aus sechs weiblichen Minenräumerinnen und einer Erste-Hilfe-Beauftragten gebildet. Darüber hinaus haben sich weitere Frauen den Teams angeschlossen, die die selbstgebauten Sprengsätze lokalisieren und das Bewusstsein der Bevölkerung für die Gefahren der Sprengkörper schärfen.
Laut den UN-Leitlinien zur Geschlechtergleichstellung in Minenräumungsprogrammen „hat die Beschäftigung von Frauen in betroffenen Gemeinden einen transformativen Charakter, trägt zur wirtschaftlichen Stärkung von Frauen bei und erhöht ihre Teilhabe und Entscheidungsmacht.” Eine Umfrage, die die FSD unter ihren weiblichen Mitarbeitern durchgeführt hat, bestätigt diese Funde. Eine große Mehrheit der befragten Frauen gab an, dass sie mehr Entscheidungen im Haushalt treffen, einschliesslich solche die mit Ausgaben zu tun haben, seit sie für die FSD arbeiten. Die meisten von ihnen beteiligen sich jetzt weniger an der Hausarbeit, die nun mehr von ihren Ehemännern oder anderen Familienmitgliedern erledigt wird. Sie haben zudem das Gefühl, dass ihr Einfluss innerhalb ihrer Gemeinden zugenommen hat, teilweise auch aufgrund der Fähigkeiten, die sie in ihren neuen Jobs erworben haben.
Wie andere humanitäre Minenräumorganisationen hat auch die FSD spezielle Richtlinien und Verfahren eingeführt, um eine geschlechtersensible Rekrutierung, Ausbildung und Durchführung von Aktivitäten zu gewährleisten. Die Organisation achtet sehr darauf, die spezifischen Bedürfnisse ihrer MitarbeitInnen zu berücksichtigen und jede Form von Diskriminierung und geschlechtsbedingter Gewalt innerhalb ihrer Teams zu verhindern.
Die Rekrutierung weiblicher Minenräumerinnen kommt nicht nur der Emanzipation der Frauen und der Verbesserung ihres Status in den betroffenen Gemeinden zugute. Es hat sich gezeigt, dass ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in allen Bereichen der Minenräumung die Qualität der Einsätze verbessern kann. Gemischte Teams erleichtern zum Beispiel den Dialog mit den verschiedenen Gruppen innerhalb der vom Konflikt betroffenen Bevölkerung.