Die zwischen Kiew und der weissrussischen Grenze gelegene Provinz Tschernihiw wurde bereits in den ersten Tagen des Konflikts Schauplatz der Auseinandersetzungen und litt dadurch wochenlang unter schwerstem Beschuss. Die Kampfhandlungen wurden hier zwar inzwischen eingestellt, doch ein Grossteil der Provinz ist zerstört und Explosivkörper wie etwa Blindgänger stellen eine enorme Gefahr für die Ortsansässigen und Rückkehrer dar. Untersuchungen und Räumungen müssen schnellstens durchgeführt werden, damit Unfällen im Zusammenhang mit Sprengkörpern vorgebeugt werden kann.
In Anbetracht des Ausmasses und der Komplexität der Lage musste die FSD die Zahl ihrer Mitarbeiter vor Ort drastisch erhöhen und ihre Vorgehensweise der Situation anpassen. “Um unsere Effizienz und Reaktionsfähigkeit zu maximieren, werden wir sieben kleinere Notfallteams einsetzen, die ab August in der Provinz Tschernihiw tätig sein werden”, erklärt Alex van Roy, er ist der stellvertretende Einsatzleiter der FSD.
Die neuen Mitarbeiter werden derzeit aus der lokalen Bevölkerung rekrutiert. “Die Bewerber müssen keine Erfahrung in unserem Sektor haben. Erforderlich sind dennoch höchste Zuverlässigkeit, Gründlichkeit sowie eine gute körperliche und geistige Gesundheit. Die Rekruten werden am Montag, dem 11. Juli, mit ihrer Ausbildung beginnen. Die Ausbildung wird von sieben internationalen Experten der FSD durchgeführt, die jeweils eines dieser Teams betreuen werden.
Um das technische Fachwissen unserer Mitarbeiter zu stärken, haben drei FSD-Mitarbeiterinnen in diesem Frühjahr einen einmonatigen Intensivkurs im Zentrum von “MAT Kosovo” besucht. Unter ihnen ist Anastasiia Yehorova (25). Sie war die Teamleiterin für unser Programm zur Unterstützung von Schuleinrichtungen im Donbas, welches seit Februar aufgrund des Konflikts ausgesetzt wurde. “Viele landwirtschaftliche Flächen, Städte und Dörfer wurden durch Sprengkörper kontaminiert”, berichtet sie. Bei der Koordinierung von Entminungsaktionen in der Provinz Tschernihiw wird ihr künftig eine wichtige Rolle zukommen.
Des Weiteren sind nun vier Untersuchungsteams im Einsatz, um die Lage gefährlicher Gebiete genauestens zu bestimmen. “Diese Massnahmen sind nur der erste Schritt zur Sicherung des Landes”, sagt Anthony Connell, er ist der FSD-Programmleiter in der Ukraine. “Die systematische Räumung ehemaliger Schlachtfelder und kontaminierter landwirtschaftlicher Flächen stellen die nächsten Schritte dar. Eine vollständige Sicherstellung wird mehrere Jahre andauern”.
In der Zwischenzeit haben die Menschen keine andere Wahl, als zu lernen, wie man sich in der Gegenwart von Minen und nicht explodierter Munition sicher verhält. Drei Aufklärungsteams der FSD besuchen mittlerweile Dörfer der Provinz Tschernihiw, um Frauen, Männern und Kindern beizubringen, wie man Sprengkörper identifiziert und sich vor ihnen schützt.
“Wir versuchen jeden Tag, möglichst viele Menschen zu erreichen, jedoch stehen wir vor einer Herausforderung, mit der wir nicht gerechnet haben”, sagt Anthony Connell. “Die Menschen vermeiden es, sich zu versammeln, weil sie befürchten, Ziel von Raketenangriffen zu werden. Deshalb führen wir Aufklärungsveranstaltungen in kleinen Gruppen von nur drei oder vier Personen durch”.
Die Lage in Tschernihiw ist nach wie vor angespannt. Fast täglich ertönen Sirenen zur Warnung vor Luftangriffen. Doch die Minenräumung kann nicht warten: Dem jüngsten UN-Bericht zufolge kehrte bereits rund die Hälfte der Vertriebenen in ihre Häuser zurück, um inmitten von Trümmern und gefährlichen Kriegshinterlassenschaften ihr altes Leben wiederaufzubauen.